Die S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus gibt bestimmte Lebensmittel an, die Betroffene vermeiden sollten: sehr heiße und stark gewürzte Speisen, größere Mengen von heißen Getränken und Alkohol. Diese Nahrungsmittel fördern die Durchblutung in der Haut, was vermehrten Juckreiz hervorrufen kann. Zudem sollten Menschen, die zu Allergien und Hautveränderungen neigen Allergene meiden die Pruritus extern verschlimmern, hierzu gehören zum Beispiel Hausstaub und Hausstaubmilben.
Auch Kohlenhydratunverträglichkeiten wie die Laktose- oder Sorbitunverträglichkeit kann zu Juckreiz führen – hierzu wurde 2011 eine Studie in Münster durchgeführt. Bei Patienten, die einen Laktasemangel haben, kann die Bindung des Zweifachzuckers Laktose nicht gespalten werden. Durch die Spaltung können Glukose und Galaktose, die einzelnen Bestandteile der Laktose, als Einfachzucker ins Blut aufgenommen werden – wenn das durch fehlende Laktase nicht funktioniert, gelangt die Laktose unverdaut in den Dickdarm und wird von Bakterien verstoffwechselt, was zu Gasbildung, Blähungen, Durchfall und Darmkrämpfen führen kann. In der oben genannten Studie wurde gezeigt, dass ein Teil der Patienten, der von einem Laktasemangel betroffen war und unter aquagenem, genitalem, multifaktoriellem Juckreiz und Juckreiz unklarer Genese eine signifikante Verbesserung im Pruritus Score aufwies.
Nachgewiesen werden kann eine solche Unverträglichkeit über einen Laktose-, Fruktose- und Sorbit-Atemtest. Der Zuckeralkohol Sorbit ist viel in Kern- und Steinobst zu finden, aber auch als Zuckeraustauschstoff und dient in weichen Füllungen als Emulgator. Die Aufnahme im Dünndarm erfolgt über den Glut5-Transporter; der Stoff geht über die Dünndarmwand ins Blut über. Bei einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit haben wir das gleiche Problem im Dickdarm wie bei Laktose, weshalb eine Malabsorption mit einem Atemtest überprüft werden sollte.
Diabetes Mellitus (egal welcher Typ) muss auch immer überprüft werden, denn er muss gut eingestellt sein. Die Ernährung muss ausgewogen sein, Betroffene dürfen auch Zucker essen, aber die Ernährung muss ganz genau überwacht werden. Hilfe und Rat finden Patienten beim Diabetesberater (oft Ökotrophologen oder Diätassistenten mit Weiterbildung).
Ein weiterer großer Punkt ist antientzündliche Ernährung, diese macht Sinn, weil Patienten mit Juckreiz Entzündungen in der Haut haben. Es werden Interleukine freigesetzt, welche als Entzündungsmediatoren agieren und maßgeblich an Entzündungen und dem daraus resultierenden Juckreiz beteiligt sind.
Die Ernährung ist ein sehr sensibles und individuelles Thema, häufig dient sie auch als Belohnung. Deshalb ist es wichtig zu erwähnen, dass man nicht von heute auf morgen seine gesamten Essgewohnheiten ändern muss, sondern dass auch eine Reduktion gewisser Nahrungsmittel schon ein Schritt nach vorne ist. Zu den entzündungsfördernden Lebensmitteln gehören zum Beispiel Weizen und Weizenprodukte, Schweinefleisch, sehr stark verarbeitete Lebensmittel und schnell anflutende Zucker – das sind Kohlenhydrate mit einem hohen glykämischen Index, die sehr schnell in den Blutzucker übergehen. Auch gewisse Fette wie die Transfette und Fette die viele gesättigte Fettsäuren enthalten beziehungsweise solche, die ein schlechtes Verhältnis von gesättigten zu ungesättigten Fettsäuren (es sollte eigentlich 1:2 betragen) haben sollten nur in Maßen verzehrt werden.
Gesättigte Fettsäuren sind nicht essentiell, was bedeutet, dass sie vom Körper selbst produziert werden können. Außerdem sind sie sehr viel enthalten in Butter, Schmalz, Käse, Süßwaren, Gebäck, Schokolade, Palmöl und Kokosnussöl. Um den Konsum dieser Lebensmittel zu reduzieren kann man zum Beispiel statt Butter ein gesundes Öl nutzen oder einen Gemüseaufstrich (gern auch selbstgemacht).
Einfach (zum Beispiel die Ölsäure in Nüssen, Samen, Avocados, Oliven, Olivenöl und Rapsöl) und mehrfach ungesättigte Fettsäuren hingegen sind essentiell, was bedeutet, dass wir sie aufnehmen müssen, weil sie dem Körper sonst fehlen. Die Omega-3-Fettsäuren haben die erste Doppelbindung am dritten, die Omega-6-Fettsäuren am sechsten Kohlenstoffatom. Die Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure ist ganz viel enthalten in Rapsöl, Leinöl, Walnussöl, Algenöl, und fetthaltigem Fisch wie Makrele, Lachs, Thunfisch und Hering; Omega-6 (Linol- oder Arachidonsäure) findet man viel in Sonnenblumenöl, Kürbiskernöl, Distelöl, Milchprodukten und Fleisch. Die Linolsäure wird im Körper in Arachidonsäure umgewandelt, welches auch über tierische Fette direkt aufgenommen werden kann. Diese wird im Körper weiter verstoffwechselt und führt zu Inflammation in Körper, Gelenken und Haut. Trotzdem sind sie essentiell und wir dürfen sie nicht verteufeln, sondern müssen sie weiterhin zu uns nehmen. Omega-3-Fettsäuren sind in Pflanzenöl wie Rapsöl, Olivenöl und Leinöl enthalten. Die Alpha-Linolensäure wird nicht zu 100% verstoffwechselt, sie wird zu EPA und DHA (Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure) im Körper. Diese Fettsäuren wirken hemmend auf Inflammation. Die Omega-Fettsäuren sind wichtig für die Keratinozyten in der Haut und den Juckreiz, man sollte auf das Verhältnis achten – so sollte es zwischen Omega-6 und Omega-3 maximal 5:1 betragen. Sonnenblumenöl und Distelöl sollten deshalb lieber durch Rapsöl ersetzt werden.
Viele Menschen in unseren Breitengraden haben einen Omega-3-Mangel, welchen sie auch durch den Verzehr von viel Fisch nicht behandeln könnten. In einem solchen Fall hilft eine Fettsäuremusterbestimmung beim Arzt mit anschließender Substitution als Nahrungsergänzungsmittel über Pflanzenöle oder Kapseln (Fischöl oder Algenkapseln à Algenkapseln machen mehr Sinn, weil Fische die Algen im Meer essen und deshalb Omega-3 enthalten.
Transfette finden sich in Margarine, Chips, Frittiertem, Kuchen – hierbei handelt es sich um flüssige Öle mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Durch mehrfaches Erhitzen oder einmaliges sehr hohes Erhitzen passiert etwas mit den Doppelbindungen, was für uns sehr ungesund ist. Deshalb sollte alles, was nicht raffiniert ist, nicht zu stark erhitzt werden oder kalt als Salatdressing gegessen werden. Richtwert sind hier 120°C. Butter hingegen kann zum Beispiel sehr hoch erhitzt werden.
Für eine anti-entzündliche Ernährung sind Haferflocken empfehlenswert, eingeschränkt Dinkel (es gibt hier keinen so großen Unterschied zu Weizen) und Pseudogetreide wie Hirse, Quinoa, Amaranth; außerdem Reis und Mais. Fettreicher Fisch wie Makrele, Hering und Lachs und Nüsse enthalten Omega-3-Fettsäurenm welche essentiell sind (das heißt, dass sie der Körper nicht selbst produzieren kann) und auch für die Haut eine wichtige Rolle spielen. Auch frische Lebensmittel, zum Beispiel 1-2 Hände zuckerarmes Obst wie Zitrusfrüchte oder Beerenobst sind empfehlenswert, es spricht aber auch nichts gegen anderes Obst. Zudem beinhaltet eine anti-entzündliche Ernährung viel Gemüse, vor allem Grünes mit vielen Antioxidantien wie Brokkoli und Tiefkühlspinat – es gilt folgendes: je mehr Gemüse, desto besser, egal ob roh oder gegart. Auch Kräuter und Kurkuma in jeder Form wirken sich positiv aus. Für die Ernährung gilt: je bunter, desto besser! Auch die Natürlichkeit spielt hier eine Rolle – industriell hergestellte Nahrungsmittel haben schon viele Prozesse durchlaufen und der Körper kann mit diesen Produkten nur schwer umgehen.
Flüssigkeit ist ebenfalls wichtig, auch bei trockener Haut, weil wir zu fast 70% aus Wasser bestehen und auch entsprechend viel in der Haut ist. Deshalb sollten wir viel ungesüßten Tee oder Wasser trinken. Auch Zuckeraustauschstoffe sind mit Vorsicht zu genießen, sie führen häufig zu Heißhunger.
Der Darm und das Gehirn sind das erste was bei Babys entsteht, es gibt eine Darm-Hirn-Achse und der Darm gilt als unser zweites Immunsystem, weshalb er eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielt. Das Darmmikrobiom umfasst Milliarden von Bakterien im Darm, kann durch falsche Ernährung aber schleichend kaputt gehen und auch Antibiotika zerstören das Mikrobiom. Man kann es durch Probiotika wieder aufbauen; hierzu kann man Nahrungsergänzungsmittel oder milchsaure Produkte wie Joghurt, Kefir, Buttermilch, Actimel, Sauerkraut und Kimchi nutzen. Damit sich die Bakterien im Darm wohlfühlen und bleiben wollen, brauchen wir Präbiotika: zum Beispiel Inulin oder Oligo-Fructose. Viele Präbiotika sind in buntem Obst, Gemüse, Bananen, Chicoree, Schwarzwurzeln, Topinambur, Artischocken, Zwiebeln und Knoblauch.
Auch Vitamine und Mineralstoffe spielen in unserer Ernährung eine wichtige Rolle.
Quercetin (das kann auch über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden) wirkt auf die Mastzellen und stabilisiert diese auf natürliche Weise. Auch über Histamine kann Juckreiz ausgelöst werden, weshalb ggf. die Einnahme von Anti-Histaminika helfen kann.
Zink, welches zum Beispiel über Fleisch, Fisch, Eier oder Nüsse aufgenommen wird ist auch wichtig bei trockener Haut und wirkt anti-inflammatorisch. Auch Selen, welches in den gleichen Leben wie Zink steckt und auch in Spargel und Pilzen und Kuper, welches man in Kakao, Hülsenfrüchten, Schalentieren und Nüssen findet sind wichtige Spurenelemente, welche man bei einem Mangel supplementieren kann.
Vitamin A oder Vorstufe Beta-Carotin, welches nicht nur in Karotten steckt, sondern auch in Kürbis, Aprikose, Spinat, Fisch, Grünkohl, Feldsalat, Seefisch und Eiern ist fettlöslich, was bedeutet, dass wir diese Lebensmittel am besten mit einer Mahlzeit kombinieren, die auch Fett enthält, oder die Karotte in etwas Öl tunken.
Vitamin C ist auch wichtig bei Juckreiz – entgegen der Erwartungen findet sich nicht so viel in Zitrone, aber in Petersilie, Paprika, Brokkoli und schwarzen Johannisbeeren. Dieses Vitamin ist extrem hitzeempfindlich und wird schon ab 40 Grad zerstört, weshalb man die Lebensmittel schonend zubereiten sollte.
Vitamin B12-Mangel kann auch Juckreiz verursachen, ebenso wie Eisenmangel, welcher medikamentös behandelt werden muss. Eisen wird immer besser aufgenommen wenn Vitamin C dabei ist, weshalb eisenreiche Lebensmittel wie helles Fleisch, Kürbiskerne oder Sesam entsprechend kombiniert werden sollten.
Eselsbrücke: Welche Vitamine sind fettlöslich? EDKA
Ich habe Juckreiz durch meine Prurigo Nodularis, dagegen hilft die gesunde Ernährung nicht oder?
Die Prurigo muss auch anders nochmal behandelt werden. Das heißt aber trotzdem nicht, dass ein Vitaminmangel zum Beispiel den Juckreiz nicht verstärken kann. Eine anti-entzündliche Ernährung macht bei den Entzündungen in diesen Knötchen natürlich auch Sinn.
Sie hatten explizit den Tiefkühlspinat empfohlen. Wo liegt denn da der Unterschied zu frischem Spinat?
Frischer Spinat enthält natürlich Ballaststoffe weil alle Gemüse und Obstsorten diese enthalten, für den Darm ist das so oder so gut. Das Vitamin C in Spinat geht bei zu viel Hitze verloren, aber auch wenn er zu lange lagert – deshalb hat der frische Spinat, der direkt schockgefrostet wurde, dann noch mehr von den Vitaminen enthalten. Wenn er ganz frisch ist, ist das anders. Außerdem muss natürlich auch hier wieder auf eine schonende Zubereitung geachtet werden. „Normaler“ Tiefkühlspinat ist auch gesünder als Rahmspinat, aber natürlich kommt es auch immer auf das Maß an, in dem man die Dinge zu sich nimmt.
Zusammenfassung eines gehörten Vortrags von
Frau Amelie Weyderinger
prurigo_nodularis_league bei Instagram à Account von Ärzten des UKM, Informationen zum Thema Juckreiz und Zusammenfassungen von Vorträgen/ Vortragsankündigungen
Oecotrophologin (M.Sc.)
Sektion Pruritusmedizin (PruMed)
Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus (KCP)
Universitätsklinikum Münster (UKM)
Klinik für Hautkrankheiten
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