Zwischenfragen der Zuhörer sind in diesem Vortrag rot gekennzeichnet
Nicht nur gesellschaftspolitisch hat sich in Deutschland seit dem Mauerfall einiges getan, auch was Hauterkrankungen angeht ist die Zeit vor der Wende anders als danach. Neurodermitisprobleme im heutigen Ausmaß gab es früher nicht,
einzelne Fälle mit heftigen Schüben und schlimmen Verläufen waren eher die Regel – es ist jedoch kein Wunder, dass sich die Zahl der Erkrankten immer weiter angleicht und sich so entwickelt, wie sie es tut. Einflussfaktoren wie Stress, Umwelt, Lebensmittelindustrie, psychische Belastung, Kosmetikindustrie wirken zusammen, was sich gerade bei Neurodermitis zeigt. Die Ernährung spielt eine entscheidende Rolle bei der Erkrankung, Nahrungsmittelallergien gelten als häufiger Auslöser der Schübe. Fast nichts wird mehr ohne Phosphate und Konservierungs,- Süß oder Aromastoffe produziert, schon in Säuglingsnahrung/ Fertignahrung sind diese enthalten. Problematisch wird dies auch in Kindergärten und Altenheimen, es müsste mehr zum Problem publiziert werden. Bei Kindern, die empfindlich oder allergisch reagieren, ist es ratsam, selbst zu kochen und ihnen das Pausenbrot von zuhause mitzugeben, auch wenn es manchmal schwierig für sie zu verstehen ist, warum sie nicht das gleiche Essen bekommen wie die anderen Kinder.
Auch Getränke wie Limonade sind meist mit Zusätzen versetzt, diese sollte man sie wenn möglich in verdünnter Form geben, oder darauf verzichten und stattdessen Mineralwasser trinken. Auch Pilze oder Bakterien können Schübe triggern, ebenso wie das Tragen von Modeschmuck, Ohrringen, Nickelallergie, Milben und Hausstaub. Häufigster Allergieauslöser in frühen Jahren sind Nüsse, während Milch und Eier eher selten als Faktoren wirken. Falls Probleme beim Konsum von Milch auftreten, ist es nicht ratsam, auf Alternativen mit Soja umzusteigen, da auch dagegen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Unverträglichkeit auftreten kann. Meist lässt sich darauf schließen, wodurch die Schübe ausgelöst werden – beispielsweise wenn Probleme auftreten, nachdem man etwas Ungewohntes gegessen hat.
Zudem treten die meisten Schübe im Frühjahr und Herbst während der klimatischen Umstellungen auf, als Folge von Schwitzen im Sommer oder im Winter wegen der trockenen Heizungsluft.
Bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommt es verstärkt zu Anaphylaxie, bei der schubartige lebensbedrohliche Anfälle auftreten. Oft treten diese Reaktionen auf, wenn künstlich hergestelltes Weizenprotein und Weizengluten verzehrt werden. Auch der Konsum von Glutamat und Aromastoffen kann zu allergischen Schocks mit Anschwellungen und Atemnot führen. Dieses Risiko wird auch im Sommer größer, wenn Grillpartys stattfinden, auf denen Gewürzsoßen im Zusammenhang mit Alkohol angeboten werden. Die Betroffenen merken aber oft über einen längeren Zeitraum Symptome wie ein Kribbeln oder Urtikaria, also Quaddeln auf der Haut, und können sich entsprechend verhalten.
Es gibt Notfallspritzen, die sich der Patient selbst verabreichen kann – auch die Begleiter sollten dazu in der Lage sein, da die Zeit oft zu kurz ist, um einen Arzt zu konsultieren. Anaphylaxie ist die schlimmste Variante von Allergien. Wenn der Verdacht auf eine Allergie oder Empfindlichkeit gegeben ist, sollten Tests und Untersuchungen, wie der Prick Test, und unter Umständen eine Desensibilisierung durchgeführt werden.
Häufig hängt Neurodermitis mit Heuschnupfen, Asthma oder allergischer Rhinopatie zusammen. Wegen dieses Zusammenhangs sollten Patienten, die unter Neurodermitis leiden, auf Naturkosmetik, die natürlich mit Pflanzen zusammenhängt, möglichst verzichten.
Es handelt sich bei der Atopie um eine genetisch bedingte, vererbbare Krankheit, bei der das Chromosom 11 verändert ist. Es kommt zu Überreaktionen des Organismus und Veränderungen des Immunsystems. Oft zeigen sich die Beschwerden schon früh im Kindesalter, jedoch ist es nicht selten, dass sich die Krankheit im Laufe der Zeit wieder verliert – das Ekzem bleibt selten bis ins hohe Alter erhalten, jedoch erkranken viele Patienten auch erstmalig in ihrer Rente. In diesem Fall trocknet die Haut aus, wodurch die Barriere gestört wird und es zu Entzündungen kommt – ein wahrer Teufelskreis.
Auch hier ist das fetten essentiell, gerade weil Altershaut die Feuchtigkeit schlechter aufnimmt, beispielsweise wird Wollvax in Alkoholsalbe verschrieben und auch Harnstoff tut der Haut gut.
Bereits im Säuglingsalter kann man durch regelmäßiges Cremen vorbeugen, durch intensive Fettcremes wird der Hautschutz aufgebaut und die Widerstandsfähigkeit der Haut gefördert. Viel Fetten ist das A und O, die Haut, deren Barriere stark gestört ist, soll täglich bis zu zehn Mal eingecremt werden.
Zum Duschen sollten keine flüssigen Seifen genutzt werden, sondern Duschöle und Kortison-l. Salben werden meist nur bei akuten Schüben genutzt, ansonsten wird mit der Basiscreme gearbeitet. Wirkstoffe wie Cortison würden über einen langen Zeitraum die Haut weiter schädigen und durch den Gewöhnungseffekt an Wirkungskraft verlieren. Auch Protopic oder Elidel können für die Prophylaxe genutzt werden.
Viele wissen mit dem Begriff Protopic und Elidel nichts anzufangen, könnten sie das erklären? Darf man es auch bei Kindern anwenden?
Ja das ist ab 2 Jahren zugelassen. Es ist eine immunstimulierende Salbe, die eigentlich ganz neu auf dem Markt sind. Sie ist sehr gut verträglich was die Nebenwirkungen angeht, nur einzelne Patienten haben damit Probleme.
Was ebenfalls gut hilft ist eine Farbstofftherapie mit Eosinlfarbstoffen, auch wenn diese heute oft verpönt ist, oder Zinksalbe. Es wird zum Beispiel mit Methylrosanilin und Eosinlösungen , die auf die Haut aufgepinselt werden, gearbeitet, dies wirkt antibakteriell und beruhigt. Auch Teersalben waren einmal verpönt, diese jedoch helfen auch sehr gut gegen die Beschwerden. Früher wurde auch eine stationäre Behandlung durchgeführt, bei der eine Farbstofflösung und Steinkohlenteer mit Butter auf der Haut fixiert wurden und dort einige Tage blieben, sodass die Haut abheilen konnte.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind die Balneophototherapie, Bäder mit Salz aus dem toten Meer und Bestrahlung, welche aber in Kombi derzeit nur bei Psoriasis bezahlt werden, da die Studien zum Thema Neurodermitis bisher noch nicht abgeschlossen sind.
Gibt es ein spezielles Alter, ab dem Kinder getestet werden dürfen?
Ab einem Jahr, das führen wir auch durch. Sehr häufig ist zum Beispiel eine Allergie auf Latex, das kann schon große Probleme bereiten, auch Allergien auf Kräuter. Deshalb ist Naturkosmetik auch immer mit Vorsicht zu genießen. Heuschnupfen, Kräuter und Natur gehören ja auch gewissermaßen zusammen. Leider zählt das auch für Kräutertees, vor allem für Fenchel. Auch Babybrei wird häufig mit Fenchelöl konserviert, das sorgt oft für Schübe. Deshalb sollte man möglichst die Produkte kaufen, die ohne Konservierungsstoffe sind, ganz ohne kommt jedoch keine Altersgruppe wirklich aus.
Schwangerschaft und Geburt
In der Schwangerschaft wird die Haut durch die Hormone (Östrogene) meist erst einmal besser, was natürlich erfreulich ist. Nach der Entbindung jedoch zeigen sich wieder Schwankungen, die Schübe werden häufiger, was mit der Belastung und dem Stress (wenig Schlaf, Kinder versorgen) zusammenhängt – diese „Krisenzeiten“ gehen meist aber vorbei, oder es stabilisiert sich mit der Wiedereinnahme der Pille .
Wie viel Gramm Fett oder Creme würden sie für den Körper empfehlen? Viele Patienten bekommen nur eine Tube und gehen daher recht sparsam mit ihrer Creme um.
Mit einer Tube kommt man da nicht weit. Empfehlenswert sind beispielsweise auch Melkfett, Schweineschmalz oder Vaseline – das gibt es in großen Eimern zu kaufen und viele Patienten kommen gut damit zurecht. In der Apotheke werden sie sicher keine großen Eimer zu einem geringen Preis bekommen. Das gibt es sicher auch zu bestellen, das müsste man mit dem Apotheker direkt absprechen.
Probiotika
Durch den Einsatz von Probotiotika soll eine Darmsanierung erreicht werden – dies funktioniert auch teilweise ganz gut. Es handelt sich hierbei um Nahrungsergänzungsmittel, eigentlich sind es nur Milchsäurebakterien. Angeblich wird durch die Einnahme auch die Abwehr gestärkt, aber diese Annahme beruht hauptsächlich auf Erfahrungswerten, da nicht viele Studien zu dem Thema durchgeführt wurden.
Negativ für die Haut ist natürlich Nikotin, also Zigaretten. Säuglinge, die damit in Kontakt kommen, sind vorgeschädigt, ihr Immunsystem ist belastet und sie müssen die hohe Menge an Feinstäuben verarbeiten. Übergewicht ist bei der Atopie eher weniger entscheidend, nur wenn die Haut bei starkem Schwitzen beschädigt wird kann es kritisch werden, und auch Haustierhaltung wird nicht mehr dramatisch gesehen.
Impfungen sind durchaus empfehlenswert, es werden Anti-Körper aufgebaut und die Immunabwehr gestärkt. Auch wenn ach wie vor einige Eltern davon überzeugt sind, nichts zu machen bzw homöopathisch zu behandeln, sollte man davon absehen – es wird zwar zu einer leichten Symptomlinderung kommen aber auf keinen Fall komplett anhalten, und natürlich ist auch die Lebensqualität der Patienten eingeschränkt.
Jedem Patienten steht alle 3 Jahre eine Kur zu – es gibt sogar Ausnahmen, die durch Klimawechsel, Ernährung und den Stressabbau seit ihrem ersten Kuraufenthalt beschwerdefrei sind. Hierbei geht es nicht nur um eine Neurodermitis-Kur, auch Mutter-Kind-Kuren sind in dieser Regelung mit eingeschlossen.
Man sollte solche Aufenthalte schriftlich beantragen, auf selbem Weg eine Antwort fordern und bei einer Nichtgenehmigung Widerspruch einlegen. Reha-Einrichtungen, in denen sie sich mit Neurodermitis behandeln lassen können, sind beispielsweise die TOMESA und Bad Bentheim. Mit einer Akut-Einweisung können sie den Reha-Antrag umgehen und sich in jedes Akut-Krankenhaus einweisen lassen, ansonsten wird ein Reha-Aufenthalt nur über die Krankenkasse genehmigt. Früher dauerte eine Kur meist 6 Wochen, heute wird sie nur für 3 Wochen genehmigt und eher selten um ein oder zwei Wochen verlängert.
Es gibt diesbezüglich auch gesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber – dies bedeutet aber nicht, dass Rentner nicht auch den Anspruch auf eine solche Maßnahme hätten.
Bald wird es eine Neuheit auf dem Markt geben – Biologics für Neurodermitiker, ein Präparat, das den Namen Duplimap trägt. Es wird zu Beginn wöchentlich, im weiteren Verlauf alle zwei Wochen vom Patienten selbst gespritzt und sollte, soweit es den erhofften Erfolg bringt, nicht mehr abgesetzt werden.
Fragen
Oft hilft Humira und ähnliches für 5 Jahre oder etwas in der Art, dann lässt die Wirkung nach. Besteht dieses Risiko auch bei dem besagten Biological? Bei Kindern und Jugendlichen hätte ich ebenfalls Bedenken.
Das kann man nicht sagen, einige unserer Patienten nehmen es schon sehr lange. Zu wechseln wäre aber auch kein Problem, es gibt viele Alternativen und Möglichkeiten die ebenso gut helfen. Auch bei Kindern wird Humira mittlerweile angewendet, das sind dann Einzelfälle bei denen nichts Anderes geholfen hat. Das wird auch von der Krankenkasse übernommen und fällt nicht ins Budget.
Sie hatten von einer Kur gesprochen, dort hinzufahren ist möglich und wird auch bezahlt?
Ja, das übernimmt die Krankenkasse und zahlt auch Zuschüsse für Übernachtungen und Anwendung, das ist ja kein Urlaub. Einen kleinen Anteil müssen sie übernehmen aber es ist wirklich sehr hilfreich.
Mein Sohn hat jetzt mit acht Jahren Neurodermitis, die Kinderärztin hat mir etwas verschrieben – er hat den Ausschlag immer um den Mund herum.
Da sollte auf jeden Fall auf Allergien getestet werden, am Mund sind ja gerade die Lebensmittel schuld und die Zahnpasta zu wechseln wäre mit Sicherheit empfehlenswert. Sie sollten eine Basiscreme oder Basissalbe nutzen, eine einfache mit Fett. Wir testen in unserer Klinik auch oft mitgebrachte Nahrungsmittel von Patienten, wie Tomaten oder ähnliches. Auch bei Orangen sind Beschwerden häufig.
Ein Nahrungsmittelprotokoll, in dem man ganz genau dokumentiert was man wann gegessen hat, kann auch Aufschluss bringen – gerade Nahrungsmittel, die sie nicht oft essen, fallen dann schnell auf. Bei Kindern sind häufig auch Getränke der Auslöser, Cola oder Fanta mit den vielen Süßstoffen. Danach werden sie auch schnell süchtig, deshalb ist es ratsam so etwas in verdünnter Form zu geben oder darauf zu verzichten.
Wenn sie etwas investieren wollen, können sie sich auch ein Gerät für UV Heimbestrahlung kaufen, das bei gezielter Anwendung sehr gut hilft und desensibilisiert. Da brauchen sie keine Wärmekabine und auch kein Infrarotlicht, das hilft nicht sehr gut bei der Haut. Man kann auch Kinder bestrahlen, aber dazu sollte man das Gerät auf eine sehr niedrige Stufe stellen, das reicht schon für eine gute Besserung. Auch in der Solewelt gibt es bereits ein Plantschbecken mit 3prozentiger Sole für Kleinkinder , eines mit 6prozentiger Sole und einen konzentrierten Salztopf. Dieser Topf ist vor allem für Schuppenflechte-Patienten geeignet, die ein wenig gereizt werden müssen, während das 6 prozentige Bad besser für Neurodermitiker geeignet ist.
Oft müssen diese jedoch vorher die Haut gut fetten, um das Bad wirklich gut zu vertragen.
Erwachsene haben oft an den Händen das Ekzem, was mit der Arbeit zusammenhängt – dazu gehört auch die Hand- und Fuß Neurodermitis. Dann gibt es natürlich den Milchschorf bei kleineren Kindern, Jugendliche haben oft mit Ellenbeugen-Ekzemen zu kämpfen.
Ist Neurodermitis und Atopie wirklich ganz genau das Gleiche?
Ja das ist exakt dasselbe, ein weiterer Begriff wäre das endogene Ekzem. Da gibt es bis auf die Begrifflichkeiten keinerlei Unterschiede.
Ich habe noch einmal eine Frage zur Neurodermitis, sollte man damit in die Sonne gehen?
Ja auf jeden Fall, Sonne ist heilend für die Haut, aber die heiße Mittagssonne müssen sie meiden. Es ist ok, solange es für sie angenehm ist, sobald es brennt wird es gefährlich. Dann sollten sie auf jeden Fall auch diese Sonnenschutzmittel nehmen, die gibt es mittlerweile auch für Kinder mit Lichtschutzfaktor 50 für den Kindergarten.
Auch schwarzer Tee oder Tanulact sind hilfreich, Johanniskrauttee sollte man auf keinen Fall verwenden, da er die Haut lichtempfindlich macht. Ein Ölbad, bei dem eine Tasse Milch und 2 Löffel Öl in der Badewanne gelöst werden, sind ebenfalls empfehlenswert, und auch Kaliumpermanganat im Wasser desinfiziert gut.
Heißt es nicht, dass Kaliumpermanganat krebserregend ist oder eine schlechte Wirkung hat?
Aus medizinischer Sicht dürfte es jedoch nicht bedenklich sein.
Jemand aus unserer Gruppe schmiert sich komplett mit Honig ein, er hat Schuppenflechte.
Neurodermitiker haben mit dieser Methode bestimmt über längere Zeit Probleme, da in dem Honig viele Allergene enthalten sind, Pollen oder Bienenwachs. Schuppenflechtepatienten haben eine weniger allergische Haut, deshalb ist es da weniger problematisch.
Das Eincremen nach dem Duschen ist natürlich super, aber was halten sie von Aloe Vera- Sprays oder Salzen?
Das Salz, das zu kaufen ist, hilft meist nicht sehr gut, weil es die Haut austrocknet – was hilft ist Magnesiumchlorid, das ist ja Sole. Die Tomesa beispielsweise stellt Cremes her, in denen sie enthalten ist. Auch Aloe Vera pflegt gut, damit gibt es ja auch Babyöl womit sie pflegen können. Mit exotischem wie Arganöl sollten sie aber vorsichtig sein, weil es schnell nach hinten losgehen kann.
Ich war immer unsicher beim Babyschwimmen, weil man viele kontroverse Tipps bekommt.
Man sollte es auf jeden Fall ausprobieren, die Haut vorher aber gut eincremen. Sie könnten auch einen Kinderpsychologen konsultieren, wenn ihr Kind wirklich nicht zur Ruhe kommt, es gibt ja auch einen psychischen Stressfaktor. Dort können sie jederzeit einen Akut-Termin machen.
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