Ganz wichtig ist, auf den leistungsrechtlichen Zuständigkeitsunterschied hinzuweisen.
der stationären Vorsorge ist Ihre Krankenkasse und für Leistungen der stationären Rehabilitation Ihre Rentenversicherung zuständig. Nur dann, wenn kein Anspruch auf solche Leistungen gegenüber der Rentenversicherung besteht, ist Ihre Krankenkasse zuständig. Dazu später mehr.
Zunächst: Was sagt das Gesetz zu den Vorsorgeleistungen?
§ 23 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) bestimmt, dass Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung haben, wenn diese notwendig ist,
….. bei einer Schwächung der Gesundheit,
….. zur Krankheitsverhütung,
….. zur Vermeidung einer Krankheitsverschlimmerung,
….. zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit.
Reichen diese Leistungen nicht aus, kann die Krankenkasse ambulante Vorsorge-leistungen in anerkannten Kurorten erbringen. Reicht dies wiederum nicht aus, kann die Krankenkasse stationäre Vorsorgeleistungen zur Verfügung stellen.
Die Krankenkasse bestimmt im Einzelfall Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durch-führung der Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass die Krankenkasse nicht willkürlich entscheiden darf, sondern gleichgelagerte Fälle gleichgelagert zu entscheiden hat.
Das Gesetz legt fest, dass nach der ambulanten ärztlichen Behandlung, deren Möglichkeiten ausgeschöpft sein müssen, zuerst die ambulante Vorsorgeleistung steht, früher „ambulante Badekur“ genannt. Reicht diese wiederum nicht aus, dann erst folgt die stationär durchzuführende Vorsorgeleistung.
In vielen Fällen macht es allerdings kaum noch Sinn, eine ambulante Vorsorge-leistung zu beantragen, zahlen doch viele Krankenkassen in deren Rahmen nur noch die Leistung der ärztlichen Behandlung und die verordneten Heilmittel (Bäder, Wärme- und Lichttherapie, Massagen usw.) und keine Zuschüsse mehr für Unter-kunft und Verpflegung. Erkundigen Sie sich im konkreten Fall bei Ihrer Kranken-kasse.
Was sagt das Gesetz zu den Rehabilitationsleistungen?
§ 40 SGB V bestimmt, dass Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation haben, wenn eine ambulante Behandlung nicht ausreicht,
….. um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen,
zu mindern oder auszugleichen,
….. um die Verschlimmerung einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit zu
zu verhüten,
….. um die Folgen einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit zu mildern.
Auch hier erbringt die Krankenkasse zunächst ambulante Leistungen zur Rehabilitation, früher ebenfalls „Badekur“ genannt. Es gilt hier das Gleiche, wie unter den Ausführungen zu den Vorsorgeleistungen dargestellt. Der Unterschied liegt lediglich in der Bezeichnung der Maßnahme, die nun statt auf „ambulante Vorsorge-leistung“ auf „ambulante Leistung zur Rehabilitation“ lautet.
WICHTIG!
Hier gilt das Nachrangigkeitsgebot gegenüber den Trägern der Renten-versicherung.
Dazu, wie gesagt, später mehr.
Wie sieht das nun in der Praxis aus?
Zu dieser Frage finden wir die Antworten in den „Gemeinsamen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen der medizinischen Rehabilitation“.
Der Verordnung einer Vorsorge- oder Rehabilitationsleistung geht die Beratung durch Ihren Arzt voraus. Ihr Arzt berät Sie insbesondere, warum ambulante ärztliche Behandlung (hier kurative Maßnahme genannt) nicht ausreicht, sowie über Ziele, Abläufe und Dauer der beabsichtigten Maßnahme.
Ergibt das Beratungsgespräch die Notwendigkeit einer weiterführenden ambulanten oder stationären Maßnahme, teilt dies Ihr Arzt Ihrer Krankenkasse auf einem Muster-vordruck mit.
Die Krankenkasse prüft daraufhin ihre Zuständigkeit und außerdem die folgenden Fragen:
….. Ist die Vorrangigkeit des Trägers der Rentenversicherung gegeben?
….. Reicht die ambulante Krankenbehandlung aus, ohne dass weitere
Leistungen zur Verfügung gestellt werden müssen?
….. Reichen ambulante Vorsorgemaßnahmen aus (bei einem Antrag auf
Leistungen der medizinischen Rehabilitation)?
Die Voraussetzung des Vorliegens einer Behinderung für Leistungen der medizinischen Rehabilitation ist in den genannten Gemeinsamen Richtlinien näher beschrieben. Dort ist von Rehabilitationsbedürftigkeit die Rede. Diese liegt vor, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung
….. alltagsrelevante Beeinträchtigungen vorliegen
oder
….. alltagsrelevante Beeinträchtigungen drohen.
Verordnungsberechtigt sind nach den Richtlinien Vertragsärzte (der Kranken-kassen)
ü für Physikalische und Rehabilitative Medizin
ü für Sozialmedizin
ü für Rehabilitationswesen
ü für Klinische Geriatrie
ü .. mit mindestens einjähriger Tätigkeit in ambulanten oder stationären Reha-Einrichtungen
ü .. mit mindestens 20 Reha-Gutachten im Jahr vor Erteilung einer Genehmigung
ü .. mit der Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen.
Dieser Bestimmung wird zur Zeit noch nicht strikt gefolgt, so dass Ihr Hausarzt auch ohne die vorstehenden Voraussetzungen Ihren Antrag auf den Weg bringen kann.
Wie geht es mit Ihrem Antrag weiter?
Ihre Krankenkasse wird nun bestimmte Anträge dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vorlegen. Dieser wiederum hat sich ebenfalls an bestimmte Regeln zu halten, die in den „Begutachtungsrichtlinien des MDK – Vorsorge und Rehabilitation“ festgehalten sind.
Danach gelten folgende Grundsätze:
- ambulant vor stationär,
- Rehabilitation vor Rente,
- Vorsorge vor Pflege,Rehabilitation vor Pflege
Vorsorgebedürftigkeit liegt vor, wenn Risikofaktoren oder Gesundheitsstörungen vorliegen, die in absehbarer Zeit zu einer Krankheit führen werden.
Vorsorgeziele sind
….. die Beseitigung von Gesundheitsstörungen,
….. eine dauerhaft gesunde Lebensweise,
….. eine auf Dauer angelegte Verhaltensänderung.
Rehabilitationsbedürftigkeit liegt vor, wenn alltagsrelevante Beeinträchtigungen drohen oder alltagsrelevante Beeinträchtigungen vorliegen.
Rehabilitationsziele sind
….. die vollständige oder größtmögliche Wiederherstellung des
vorherigen gesundheitlichen Niveaus,
….. die Nutzung verbliebener Funktionen als Kompensation.
Fragenkatalog der Krankenkassen
Die Krankenkassen haben dem MDK konkrete Fragen zu stellen, zu denen aus sozialmedizinischer Sicht Stellung zu nehmen ist.
Solche Fragen sind:
- Sind Vorsorge-/Rehabilitationsleistungen indiziert?
- Welche Zuweisungsempfehlungen können gegeben werden
zur ambulanten oder stationären Durchführung,
zum Kurort,
zur Dauer der Maßnahme?
- Ist die kurzfristige Einleitung der Maßnahme erforderlich?
- Ist eine erneute Leistungserbringung indiziert?
- Kommen andere Leistungen in Betracht?
Nach der Richtlinie MDK-Stichprobenprüfung haben die Krankenkassen jeden 4. Antrag in der Reihenfolge des Einganges durch den MDK prüfen zu lassen.
Von einer MDK-Vorlage kann abgesehen werden bei
….. Anschluss-Rehabilitationsmaßnahmen,
….. Maßnahmen für Kinder und Jugendliche,
….. Versicherten in DMP-Programmen,
….. in Fällen mit integrierter Versorgung.
Hingegen sind Anträge immer zu prüfen bei
….. Zweifeln an der medizinischen Notwendigkeit,
….. Leistungsanträgen vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist von 3 bzw. 4
Jahren.
Wann ist der Träger der Rentenversicherung zuständig?
Der Träger der Rentenversicherung ist zuständig für Maßnahmen zur Rehabilitation bei
….. erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit,
….. Minderung der Erwerbsfähigkeit,
wenn durch die Maßnahme eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann.
Die Gefährdung ist erheblich, wenn
….. nach ärztlicher Feststellung innerhalb von 3 Jahren mit einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist.
Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn
….. der Versicherte seine Erwerbstätigkeit nicht mehr oder nicht mehr
ohne wesentliche Einschränkungen ausüben kann.
Das Gesetz formuliert aber noch die folgenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen:
- Wartezeit von 15 Jahren (damit sind Zeiten mit
rentenrechtlicher Bewertung gemeint) oder
- Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung oder
- 6 Kalendermonate Pflichtbeiträge innerhalb der
letzten 24 Kalendermonate oder
- Aufnahme einer Beschäftigung innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung einer Ausbildung.
Zum Schluss noch ein Wort
Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was Sie mit den doch oft sehr weit auslegbar definierten Bestimmungen, ob im Gesetz oder anderswo, anfangen sollen.
Darauf gibt es nur eine Antwort: Sie sollten auf jeden Fall bei der Antragstellung oder in Ihrem Widerspruch zu einer Ablehnung Ihres Antrages so argumentieren, wie es eben die benannten Bestimmungen vorsehen. Dabei sollten Sie unbedingt die Definitionen von Vorsorge- und Rehabilitationsbedürftigkeit und auch jeweils zutreffend andere verwenden.
Ein Widerspruch gegen eine Ablehnung, der mit persönlichen und sicher auch zutreffenden Argumenten und im persönlichen Briefstil belegt ist, wird in den allermeisten Fällen keine Aussicht auf Erfolg haben, weil eben die geltenden Bestimmungen eine Berücksichtigung solcher Argumente nicht vorsehen.
Argumentieren und formulieren Sie so, wie es das Gesetz und die Richtlinien vorsehen.
Fordern Sie von Ihrer Krankenkasse im Falle der Ablehnung Ihres Antrages das MDK-Gutachten.
Hinterfragen Sie, ob die Vorlage im Rahmen der festgelegten Regeln erfolgte.
War Ihr Antrag ausgerechnet der 4. in der Reihenfolge des Einganges?
Prüfen Sie, ob die Fragestellungen und die gutachterlichen Aussagen nach dem Fragenkatalog erfolgten.
Noch ein Tipp:
Lassen Sie sich nicht mit einer telefonischen Mitteilung abspeisen. Bestehen Sie auf einer schriftlichen Mitteilung. Das 10. Buch des Sozialgesetzbuches nennt diese Mitteilung Verwaltungsakt. Sie haben den Anspruch auf einen solchen schriftlichen Verwaltungsakt. Dieser wiederum unterliegt bestimmten gesetzlichen Anforderungen. Prüfen Sie, ob diese eingehalten wurden.
Und: Wenden Sie sich an uns, wenn Fragen offen geblieben sind.
Zusammenfassung: Wolfgang Becker
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