Resilienz-Wiederstandskraft der Seele

Vortrag von Frau Renate Kurze-Hoffmann Dipl-Psych.,

Psychologin an der Tomesa-Fachklinik in Bad Salzschlirf

Von Zeit zu Zeit tauchen  Wörter in der Sprache auf, mit denen man ohne Erläuterung nichts anzufangen weiß.

Wenn es sich um fachsprachliche Begriffe handelt,

 können wir sie getrost den Nutzern vom Fach überlassen, die in der Regel wissen, was damit gemeint ist. Wenn wir Patienten aber angefeuert werden, Resilienz zu lernen, brauchen wir eine Übersetzung.

Also: resilire (lat.) heißt abprallen, zurückspringen. Resilienz, mit dem seelische Widerstandskraft gemeint ist, würde bedeuten, daß die Seele einen Mantel  hat, an dem die belastenden Wellen abprallen, vielleicht auch, daß unsere Seele in die alte Form zurückfindet, zurückspringt.

Es gibt Menschen, die mit dem dicken Fell? Die haben diese Abwehrfähigkeit seit ihrer Kindheit und es gibt solche, die dünnhäutigen?Die durch jeden seelischen Windhauch umgeworfen werden.              Frau Kurze-Hoffmann hat in ihrem Abendvortrag in Ostheim über den Nutzen von Resilienz für ein gelungenes und gesundes Leben gesprochen und darüber, daß Resilienz lernbar ist.

Könnte man Resilienz als seelische Immunisierung bezeichnen? Denn wie unser sich früh ausbildendes Immunsystem, wird auch Resilienz, so wird vermutet, früh angelegt, wobei die durch die Eltern erhaltene Genausstattung eine Rolle zu spielen scheint. Die aktuelle Vermutung ist: 50 % durch Gene, 50 % durch spätere Formung.  Eine besonders exakte Nachricht ist das nicht; denn wer verspricht, daß die Gene die Voraussetzung  für eine Neuformung mitbringen?

Wir befassen uns mit der formbaren Hälfte unserer psychischen Ausstattung.

Das Biologisch (Gene) – Psychologisch  (Konflikte) – Soziale (Umfeld) Modell zeigt, welchen Einflüssen wir Menschen mit unseren Störungen unterworfen sind.

Wie erwähnt ist die Beeinflussbarkeit der auf uns wirkenden Kräfte unterschiedlich: beim biologischen Sektor ist schon alles gelaufen; im sozialen Sektor, zu dem wir jede Art Behandlung, Ernährung, Lebensweise rechnen, kann täglich etwas getan werden und zeigt eventuell schnelle Wirkung.

Im psychologischen Bereich, der unsere Empfindsamkeit, unsere Konfliktverarbeitung, unsere Stressanfälligkeit betrifft, kann durch Bewusstwerden und Lernen etwas erreicht werden, was im besten Falle zur „Resilienz“ führt.

Die Referentin gab Beispiele für eine Verhaltensänderung, die zur Kräftigung der seelischen Widerstandskraft beiträgt. Die Stichwörter lauten Akzeptanz, Offenheit, Netzwerkorientierung, Optimismus, Kontrollüberzeugung und Verantwortung.

a)Akzeptanz: nicht hadern, sondern annehmen; ich akzeptiere meine Lebenssituation, ich nehme an, was geschehen ist, was hier und jetzt geschieht.

b) Offenheit:   über Wünsche und Bedürfnisse sprechen. Es geht nicht um die Marmelade auf dem Frühstückstisch (aber damit könnte man beginnen:“wären Sie so gut und würden mir die gelbe Marmelade reichen?“) Vielleicht gelingt es sogar über Gefühle und Sehnsüchte zu sprechen. Offenheit bedeutet auch offen zu sein für Neues, Unbekanntes (sogar für Resilienz).

c)Netzwerkorientierung: Bildung des Netzwerks beinhaltet Ausbau und Erhalt von Beziehungen (Familie, Freunde, Bekannte, Gemeinde, Verein, Ehrenamt). Die Pflege der Beziehung wird erleichtert durch Helfen und Helfenlassen; besonders das Sich-Helfen-Lassen kann zum Maßstab über das Funktionieren einer Beziehung werden.

d) Optimismus: hier ist nicht das bequeme „geht schon rum, sagt Frau Stumm; wird schon wer´n, sagt Frau Kern“, wie der deutsche Schlagerphilosoph textet, sondern Optimismus erfordert die Überprüfung der Gedanken und Gefühle und das Nichtzulassen der trüben Gedanken und der negativen Gefühle. Stärkung von Freude, Mitgefühl, Dankbarkeit, Verminderung von Wut, Trauer, Ärger. Die Belohnung wird nicht ausbleiben:  Freude und Leichtigkeit.

e) Kontrollüberzeugung: mit diesem sperrigen Wort ist die Hebung des eigenen Selbstbewußtseins gemeint: ja, auch ich kann das!    Vertrauen in eigene Fähigkeiten.   Vertrauen in die Stärke, Sorge für sich selbst zu übernehmen. Sich den Herausforderungen des Lebens stellen.  Hartnäckigkeit beim Scheitern.  Die Herausforderungen  als Chance erleben.

f) Verantwortung: keine Schuldsuche bei anderen („hätten meine Eltern doch….“), sondern erkennen , daß ich selbst etwas verbessern kann. Endlich vom Opfer zum Täter werden (nicht zum Übeltäter!). „Hier Halt und nicht weiter!“ oder „Was, nur bis hierher und nicht weiter?“  Innere Stimme beachten.

 

Die Referentin ging   auf den Zusammenhang von Haut und Psyche ein und wies auf die Bedeutung der seelischen Widerstandskraft gerade für Menschen mit Erkrankungen der Haut hin.

Die Haut ist Kontaktorgan, Ausdrucksorgan, Grenzorgan, Schutzorgan.

Die seelische Verwundbarkeit sucht sich, um sich auszudrücken, ein „schwaches“ Organ aus.   Das kann der Darm sein, die Atemorgane, das Kreislaufsystem und andere, oder unsere Haut. Diese Schwächen, Dispositionen, sind  meistens von Geburt aus vorhanden.  Zum Ausbruch einer Störung oder gar einer Erkrankung kommt es durch Überanstrengung des Organismus, sei es durch seelische oder durch die Umgebung bedingte Einflüsse.

Der verletzbare Mensch kann sich in Drachenblut wälzen, um unverletzlich zu werden. Bei Siegfried hätte das auch fast geklappt, wenn nicht das Lindenblatt dazwischengekommen wäre.

Siegfried hat einen Drachen töten müssen, ,um sich einen Panzer zulegen zu  können. Der Panzer hat seinen Körper geschützt, jedoch nicht seine Seele.

Wir können davon ausgehen, daß einer, der mit Drachen kämpft, auch über eine ansehnliche seelische Widerstandskraft verfügt; aber so ganz sicher können wir nicht sein, denn ein Mensch, der sich „mit einem Panzer“ umgibt, läßt eine empfindsame, verletzliche Seele darunter vermuten.

Die von der Referentin des Abends in Ostheim vorgebrachten Eigenschaften hätten auch Siegfried helfen können, sein Leben zu meistern: Akzeptanz (die Dinge sind, wie sie sind; lassen wir der Welt ihren Lauf), Offenheit gegenüber Neuem und anderen Menschen, die Offenbarung von Gefühlen („mir ist so weh ums Herz, Brunhilde“) und Netzwerkorientiertheit („Herr Hagen, darf ich mich auf Ihre Lanze stützen, während ich mich über die Quelle beuge?“) .

Wenn wir schon in Salzwasser baden müssen statt in  Drachenblut, so können uns die Ausführungen der Referentin helfen, die seelischen Auslösesituationen unserer unerwünschten Hauterscheinungen abzuschwächen oder gar auszumerzen, so dass wir mit Licht und Salzwasser gegen unsere Beschwerden erfolgreich vorgehen können.

Und dann lächeln wir und sagen: „Wir können Resilienz.“

Wir danken Frau  Kurze-Hoffmann für ihren lebendigen Vortrag.

Zusammenfassung Günter Jouy

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