Bericht vom 1. Selbshilfetag 26.04.04   

Wir haben alle unserem ersten großen Event, dem Selbsthilfetag am 20. März 2004, entgegengefiebert. Haben wir genug Publicity betrieben ? Haben wir uns gut genug vorbereitet? Wie viele Besucher werden kommen ? Kommt überhaupt jemand ???  

Und dann war es so weit: Pünktlich um 9.30 Uhr eröffnete der Schirmherr Herr Bürgermeister Adolf Büttner die Veranstaltung. Er betonte, dass die SHG nicht nur ein Zusammenschluss von Gleichgesinnten ist. Diese freiwillige Gruppe besteht nun schon seit 5 Jahren, und bietet allen Ratsuchenden in Sachen Haut ihre Hilfe. Außerdem ist sie auch ein wichtiges Bindeglied zwischen Krankenkassen, Verbänden, Ärzten und Betroffenen.

Dann hielt unsere Margitta einen kurzen Rückblick auf Ihre eigene Kranken-geschichte, und wie Sie dann die Initiative ergriff, und damit der Startschuss für unsere Gruppe gegeben war. Sie berichtete über unsere laufenden Aktivitäten, die Vortragsabende, die Ausflüge in Solebäder, Klinikbesuche und natürlich von den Klimareisen nach Jordanien.

Den ersten Vortrag eröffnete Herr Dr. Lasaroff, Oberarzt im Schlosskrankenhaus. Er berichtet, dass schon im Eid des Hipokrates "das leibliche Wohl der Patienten" als sehr wichtig benannt wurde.

Zu diesem Thema – die Bedeutung der Ernährung bei Neurodermitis, insbesondere im Kindesalter – referierte seine Mitarbeiterin Dipl. Trophologin Frau Wagner. Sie erklärte uns, dass der Darm das größte Immunsystem ist, dass der Mensch besitzt. Diesen belastet jeder Mensch im Durchschnitt mit 15 kg Zusatzstoffen (z.B. Toxine, Antibiotika, Konservierungsstoffe) pro Jahr. Außerdem belasten wir unseren Körper mit Nahrungsmitteln, die evtl. mit Allergenen belastet sind. Daher sollten gerade vorbelastete Menschen auf eine vollwertige Ernährung achten, und vor allem Fleisch, Fisch und Eier meiden. Als weitere Belastungsfaktoren gelten die Inhalations-allergene, wie z.B. Pollen, Tierhaare, das Klima und das Wetter, der Lärm, der Schlafmangel, und der psychosoziale Stress.

Durch alle diese verschiedenen Einwirkungen auf den Organismus, läuft irgendwann das Fass über, und der Körper reagiert mit Allergien oder Hautkrankheiten. Um das zu vermeiden sollten wir darauf achten Reizstoffe zu meiden, unsere Lebensmittel konsequent auswählen, aber dabei auf eine ausreichende Deckung des Nährstoff-bedarfs achten, die Nahrungsmittel saisonal auswählen, und möglichst auf eine säurearme Kost achten.

Nahrungsmittel, die als Allergieauslöser gelten sind z.B. Sellerie, Hühnerei, Milch und Milchprodukte.

Man sollte auf seinen Körper "hören", und rechtzeitig entgegensteuern. Da die Veranlagung zur Neurodermitis weitervererbt wird, sollten besonders vorbelastete Schwangere schon auf eine allergenarme Ernährung während der Schwangerschaft achten, und nach der Geburt das Kind von Anfang an allergenarm ernähren. Der wichtigste Faktor zur Vorbeugung ist nach wie vor das Stillen bis zum 6. Monat. Als Alternative dazu sollte man ansonsten Hydrolisatnahrung wählen. Ab dem 6. Monat kann man allergenarme Beikost, z.B. erst Reis, Zucchini, Brokkoli, geben. Ab dem 7. Monat dann Fleisch (Lamm, Rind, Kalb), ab dem 9. Monat Obst und Milchbrei, ab dem 12. Monat Getreide, z.B. Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste und erst später dann Weizen, ab dem 2. Lebensjahr dann Fisch, Ei und Milch und ab dem 3. – 5. Lebensjahr rohes Gemüse und Obst.

Unbedingt ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, vorzugsweise durch Wasser und ungesüßte Kräutertees z.B. Stiefmütterchentee, zu achten.

Wenn ein Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie besteht, kann man dies zunächst mit einer diagnostischen Diät, d.h. durch weglassen des verdächtigen Allergens, herausfinden. Bessert sich der Zustand, sollte man das Allergen meiden. Tritt keine Besserung ein, kann man ein anderes Allergen nach gleicher Vorgehensweise testen.

Außerdem kann man noch eine Blutbestimmung zur Definition der Allergene machen.

Schwieriger wird es bei sogenannten Pseudoallergien, da die Reaktionen des Körpers wie bei einer normalen Allergie verlaufen. Der Unterschied besteht darin, dass das Immunsystem nicht beteiligt ist, evtl. ein Enzymdefekt (z.B. Laktoseintoleranz) vorliegt, oder dem Körper zu viele biogene Amine (Histamin) zugeführt wurden. Dies kann durch eine eiweißreiche Nahrung (z.B. lang gereifter Käse oder Wurst, Nüsse, Hefe) hervorgerufen werden.

Des weiteren gibt es noch die pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien, z.B.

Birke -> reagiert wird auf: z.B. Haselnuss, Kern- und Steinobst,

Karotte, Sellerie, evtl. Gewürze

Beifuß -> reagiert wird auf: z.B. Sellerie, Karotte, Kräuter und Gewürze

Tomate, Paprika

Gräser -> reagiert wird auf: z.B. heimische Getreide, Erdnuss, evtl. Soja

Pollenallergiker -> reagiert auf Pfefferminz

Diese Nahrungsmittel sollte man hauptsächlich während der Pollenflugzeit meiden. Die restliche Zeit des Jahres ist es durchaus möglich, dass man die Nahrungsmittel verträgt. Außerdem ist Gemüse gekocht meistens unproblematisch.

Eine allergen- und aminarme Kost besteht aus:

1. keine Fertigprodukte

2. frische, naturbelassene Nahrungsmittel aus der Region

3. schonende Zubereitung nach individueller Verträglichkeit

4. Führen eines Ernährungstagebuchs

5. Abwechslung (erhöht die Verträglichkeit)

6. beim Austesten sollte immer ein allergologisch tätiger Arzt bzw. Ernährungsberater hinzugezogen werden

7. auf Kreuzallergien achten

8. auf die Deckung des Nährstoffbedarfs achten, wenn bestimmte Nahrungsmittel weggelassen werden müssen.

Jetzt hatten wir uns eine Pause verdient ! Für die Verköstigung hatten wir bestens vorgesorgt. Für die Tatkräftige Unterstützung bei der Bewirtung hier an Margittas Mann Bernd ein herzliches Dankeschön.

Aber vor allen Dingen haben wir uns sehr gefreut, dass bereits zum Anfang alle Plätze besetzt waren, und zum Vortrag immer wieder neu Stühle geholt werden mussten.

Frisch gestärkt klärte uns jetzt Herr Becker von der DAK über die Auswirkungen der aktuellen Gesundheitsreform auf.

Die Zuzahlungsgrenzen bzw. Belastungshöchstgrenzen sind:

2 % der Jahres-Bruttoeinnahmen oder

1 % der Jahres-Bruttoeinnahmen bei chronisch Kranken

Gerechnet wird das Familieneinkommen, auch wenn ein Partner privat versichert ist.

Die Freibeträge sind 4347,00 € für die Ehepartner

3648,00 € für jedes Kind

Diese Freibeträge ändern sich jährlich.

Wenn nur 1 Person aus dem Familienverbund als schwerwiegend chronisch krank gilt, wird für alle die Belastungshöchstgrenze von 1 % angesetzt.

Vorraussetzungen für die Anerkennung der chronischen Krankheit sind:

- mind. 1 Jahr lang 1 x pro Quartal in ärztlicher Behandlung

und

- 60 % Schwerbehinderung

oder

- Pflegestufe 2 oder 3

oder

- kontinuierliche medizinische Versorgung erforderlich ohne die

- lebensbedrohliche Verschlimmerung

- Verminderung der Lebenserwartung

oder

- dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität

durch die Erkrankung zu erwarten ist.

Der Antrag auf Anerkennung einer chronischen Krankheit ist durch den behandelnden Arzt bei der jeweiligen Krankenkasse zu stellen.

Herr Saalmann, Vorstand von Psoriasis & Haut, und Mitentwickler der Lichttherapie hielt zunächst einen kurzen Rückblick auf die Historie der Psoriasis.

Dann erläuterte er, dass ca. 3-5 % der Bevölkerung von Deutschland an Psoriasis vulgaris, und davon wiederum ca. 30 % in Verbindung mit Polyarthritis erkrankt sind.

Auch haben Betroffene mit Gelenkbeteiligung fast immer auch eine Nagelbeteiligung durch die Psoriasis. Der Befall ist meist an Händen, Füßen und Knien, und außerdem bei Männern mehr die Wirbelsäule, und bei Frauen mehr die Hüfte.

Es sollte unbedingt ein Gelenkstatus erstellt werden, da die Psoriasis-Arthritis schwer von einer rheumatischen Erkrankung zu unterscheiden ist.

Zur Behandlung stehen verschiedene medikamentöse Behandlungen zur Verfügung, oder auch die ALA-Therapie.

Früher bestand diese aus dem Einsalben, 4 Stunden abdecken, und danach mit Saalmann "Greenlight" bestrahlen. Der Vorteil dieser Therapieform bestand darin, dass sie nur auf die krebskranken Zellen wirkt, und die gesunden Zellen verschont.

Heute verwendet man ALA + Acetylsalicylsäure + Ascorbinsäure. Danach erfolgt die Bestrahlung mit Grünlicht. Bei 3 Sitzungen wöchentlich sind insgesamt 10 Sitzungen nötig, um weitestgehend schmerzfrei zu werden. Nach 4-7 Monaten erfolgt eine Wiederholung der 10 Sitzungen. Dieses Intervall sollte man noch zweimal befolgen. Dies dient als Grundlage für eine ca. 2jährige beschwerdefreie Zeit.

Dr. Hirt berichtete uns über die neueste kortisonfreie Errungenschaft bei der Bekämpfung der Neurodermitis "Elidel".

Die schlimmsten Auswirkungen der Atopischen Dermatitis sind der quälende Juckreiz und das Ekzem.

Die Therapie bestand bisher aus täglicher Hautpflege, bedarfsgerechten Kortikosteroiden zum Auftragen, und Therapien mit z.B. Antihistaminika, Teer-Präparaten, Lichttherapie, Kortikosteroiden zum Einnehmen.

Aus der Behandlung mit Elidel ergibt sich automatisch eine Einschränkung der Kortikosteroide, neue Schübe werden reduziert oder ganz verhindert, und die Nebenwirkungen, wie von Kortison bekannt z.B. Hautverdünnung, werden verringert oder entstehen erst gar nicht.

Viele Patienten haben Angst vor den bekannten Kortikosteroiden, und gehen dann "fremd", z.B. zum Heilpraktiker oder machen eine Therapie mit Kangalfischen. Die Erfolgschancen sind hier allerdings sehr gering.

Elidel ist seit Oktober 2002 als Creme auf dem deutschen Markt. Der Hauptwirkstoff ist Pimecrolimus. Die Creme wird 2 x täglich dünn aufgetragen. Bisher ist die Anwendung lt. Zulassung erst ab dem 2. Lebensjahr möglich. Zur Zeit wartet der Hersteller noch auf die Zulassung ab dem 3. Monat.

Die Anwendungsdauer ist nicht limitiert, und es gibt keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Das Molekül ist wasserlöslich, und wurde speziell für die Dermatitis entwickelt. Die Substanz ist Haut- und Zellselektiv, also nicht im Blut nachweisbar.

Elidel wirkt unterdrückend auf die Enzyme, die zusammen mit den T-Zellen das Interleukin 2 bilden, das für den Neurodermitisschub verantwortlich ist. Durch die Unterdrückung der Enzymwirkung schüttet die T-Zelle keine Botenstoffe (z.B. Histamin) mehr aus.

In Langzeitstudien wurden die Erfolgschancen wie folgt nachgewiesen:

70 % der behandelten Kleinkinder waren ½ Jahr schubfrei

60 % der behandelten Kinder und Jugendlichen waren ½ Jahr schubfrei

45 % der behandelten Erwachsenen waren ½ Jahr schubfrei

Wenn Elidel bei den ersten Anzeichen sofort verabreicht wird, lässt sich ein Schub verringern oder sogar verhindern.

Die einzige bekannte Nebenwirkung ist ein eventuelles Brennen an der Applikations-stelle, dass aber nach 3-5 Tagen verschwindet.

Zum Abschluss berichtete uns Dr. Schubert, von der Fachklinik Sanaderm, Bad Mergentheim, noch über das Management der verschiedenen Psoriasisstadien.

Das Management bei der leichten Psoriasis vulgaris beginnt mit topischen Kortikoiden, wechselt dann auf Vitamin D3 oder Anthralin (Rezeptur oder Micanol) oder Tazarotene. Tritt keine Besserung ein wird die topische Behandlung mit der UVB-Therapie kombiniert. In therapieressistenten Fällen wird die topische Therapie mit Creme- oder Bade-PUVA oder Balneo-Phototherapie kombiniert.

Das Management bei der mittelschweren Psoriasis vulgaris beginnt wie bei der leichten Psoriasis. Tritt keine Besserung ein, wird Anthralin mit UVB-Photo-Therapie kombiniert. In therapieressistenten Fällen gibt es folgende Alternativen:

- topische Therapie in Kombination mit Bade-PUVA oder Balneo-Photo-Therapie

- Eximer-Laser 308 nm

- B-clear 311 nm

- Topische Therpaie in Kombination mit Acitretin und PUVA

- Beginn mit systemischen Therapeutika z.B. Furmasäureester, Methotrexat (MTX)

Das Management bei der schweren Psoriasis vulgaris beginnt mit PUVA in Kombination mit topischer Therapie. Wenn keine Erfolge erziehlt werden, dann werden systemische Therapeutika dazu gegeben. In therapieressistenten Fällen geht man dann auf Cyclosporin, Tacrolimus (Protopic) oder Pimecrolimus (Elidel)

Das Hauptproblem in der Behandlung mit Kortikosteroiden besteht darin, dass sich die Haut daran gewöhnt, d.h. man muss die Verabreichung steigern oder das Präparat wechseln. In Folge werden natürlich auch die Nebenwirkungen immer schlimmer.

Jetzt war es geschafft ! Und der zeitliche Rahmen, trotz ein paar kleinerer Probleme eingehalten. Wir waren zu recht stolz auf unseren ersten Versuch, einen Selbsthilfetag für Hautkrankheiten abzuhalten.

Wir haben uns sehr über die zahlreichen Besucher gefreut, und konnten uns so auch ein Bild machen, dass unsere angebotenen Vorträge vielseitiges Interesse fanden. Zwischendurch fand immer reger Austausch zwischen den Betroffenen statt, was ja auch die Grundlage einer Selbsthilfegruppe ist.

Wir bedanken uns bei Herrn Bürgermeister Büttner, dass er sich als Schirmherr für die Veranstaltung stark gemacht hat, der Feuerwehr für die Überlassung der Räumlichkeiten und bei unseren vielen Kuchenbäckerinnen.

Ein besonderer Dank an die Apotheken, die mit Ihren schönen Schaufenstern auf unseren Selbsthilfetag hingewiesen haben, und an die Presse, die wochenlang immer wieder unsere Artikel abgedruckt hat.

Aber einer Person danken wir besonders, unserer Margitta ! Denn ohne Ihre mutige Initiative vor 5 Jahren wäre diese Selbsthilfegruppe nie entstanden. Sie ist immer voller Tatendrang, und hat für jeden ein offenes Ohr.

SHG Ostheim/Rhön

Romany Dietz

Dank an Romany Dietz für das Gestalten der Pressetexte im Namen der SHG Ostheim / Rhön

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